Linker Antrag zu Konsequenzen aus Brandkatastrophe in Moria erhält Dringlichkeitsstufe und Rat verabschiedet mit großer Mehrheit ambitioniertes Klimapaket.

Eigentlich sollte die gestrige Ratssitzung ausschließlich als Klima-Sondersitzung stattfinden, doch die Katastrophe im Flüchtlingslager Moria hatte mich bewogen, kurzfristig noch einen Dringlichkeitsantrag einzureichen. Langenhagen soll sich der Initiative von derzeit rd. 180 Kommunen anschließen, um zusätzlich Geflüchtete aus dem Lager Moria aufzunehmen – insbesondere unbegleitete Kinder und Jugendliche, was bisher noch von Innenminister Seehofer blockiert wird.

Ein Dringlichkeitsantrag benötigt zur Annahme lt. Geschäftsordnung 2/3 der Stimmen aller Ratsmitglieder. Ich habe kurz die Dringlichkeit für diesen Antrag begründet und habe mich dann sehr darüber gefreut, dass fast alle Ratsmitglieder – außer der AfD – meinem Antrag die Dringlichkeit zugesprochen haben. Über den Antrag selbst wird auf der Folgeratssitzung nächste Woche Montag am 21.09.2020 diskutiert und entschieden. Ich habe die große Hoffnung, dass der Rat zustimmt und Langenhagen sich in die ehrenvolle Riege der Kommunen einreiht, die sich bereit erklären, weitere Geflüchtete aufzunehmen. In diesem Fall gäbe es auch für Bürgermeister Heuer noch einen Zusatztermin. Bundeskanzlerin Merkel hatte gerade an diesem Tag angekündigt, dass sie alle Bürgermeister*innen der Kommunen einladen werde, die sich an der zusätzlichen Geflüchtetenaufnahme beteiligen.

Nun zu den Klimaanträgen. Vor ungefähr einem Jahr hat es im Rat Langenhagen über 40 Einzelanträge gegeben, die sich für eine Verbesserung der Klimasituation durch Maßnahmen im Klimaschutz aussprechen. Die Antragsteller*innen von SPD, CDU, Grüne/Unabhängige, BBL und mir als LINKE haben sich in einer Arbeitsgruppe zusammengesetzt und es einvernehmlich geschafft, 4 Sammelanträge mit konkreten Handlungsaufträgen für die Verwaltung zu erarbeiten.

Es lag nicht an Corona allein, dass wir für diesen Abstimmungsprozess fast ein Jahr brauchten. Die Arbeitsergebnisse mussten teilweise über längere Zeit in den Fraktionen diskutiert werden. Aber wir haben es geschafft.

Einvernehmen bestand in diesem sehr sehr breiten politischen Zweckbündnis, was seinesgleichen in den anderen Regionskommunen sucht, dass zusätzlich aus der Gruppe auch Ergänzungsanträge gestellt werden können, die nicht von allen Beteiligten der Arbeitsgruppe mitgetragen werden können. So standen zu den unten angeführten Themenblöcken noch jeweils ein gemeinsamer Ergänzungsantrag von SPD, Grünen/Unabhängigen, BBL und der LINKEN zur Abstimmung.

In der nachfolgenden Diskussion habe ich unter dem Titel „Global denken – lokal handeln “ ausgeführt, dass wir nur mit dieser Doppelstrategie und gewaltigen Anstrengungen die Klimakatastrophe noch verhindern können. Gemeinsam im Rat wollen wir auch für die anderen Regionskommunen ein positives Zeichen setzen, was gemeinsames Arrangement in Sachen Klima alles erreichen kann. Der vor wenigen Tagen an die Stadt Langenhagen von der Landesregierung übergebene Preis für eine Vorreiter*innenstellung bei der E-Mobilität ist dafür ein zusätzlicher Anreiz, auf diesem Wege zügig weiterzugehen.

Für die SPD wies Wolfgang Kuschel daraufhin, dass die notwendigen Umweltmaßnahmen zwar eine Menge Geld kosten würden, aber ein Nichtstun viel teurer käme. Der sog. „freie Markt“ habe die Umwelt kaputt gemacht.

Dirk Musfeld von den Grünen monierte, dass in den letzten 10 Jahren trotz vieler Versprechungen in Langenhagen viel zu wenig umgesetzt worden sei und es jetzt darauf ankomme, die Klimaanträge umgehend ins praktische Handeln umzusetzen.

Dr. Mommsen von der BBL plädierte für eine offensive Klimapolitik – „einer – hier Langenhagen - muss vorangehen“. Er kritisierte, dass in der Schlussphase der Antragserstellung in einige Anträge noch „Weichmacher“ wie „nach Möglichkeit“ eingebaut worden seien. In der Sache gebe ich ihm da Recht, aber ohne diese textlichen Abmilderungen wären die Anträge nicht von allen mitgetragen worden.

Für die CDU bekannte sich Herr Veltrup zu den gemeinsamen Arbeitsergebnissen, machte aber deutlich, dass die Ergänzungsanträge nicht mitgetragen werden könnten. Die CDU plädiere für kleine Schritte und den Dreiklang von „ökologisch, sozial und ökonomisch“.

Außen vor war die FDP, die auch keinen eigenen Klimaantrag eingebracht hat. Ratsherr Balk bemängelte, dass es für die Klimaanträge keine finanziellen Deckungsvorschläge gebe, die Baukosten für klimagerechte Wohnungen deutlich ansteigen würden. Er sah sich im Einvernehmen mit dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Weil, der gefordert hatte, beim Klimaschutz nicht zu übersteuern. Außerdem könne man 2040 oder 2050 immer noch handeln, wenn es denn notwendig werde.

Ratsherr Eilers von der WG-AfL sieht in den gemeinsamen Klimaanträgen den falschen Weg, der die Menschen nicht mitnehme und zu horrenden Baukostenerhöhungen für private Wohnungsbauunternehmen führe. Ein generelles Tempolimit auf Autobahnen von 130km/h schade der Wirtschaft und den Vorschlag, dass Bedienstete der Stadt auf Flugreisen verzichten sollten, geißelte er als Verstoß gegen das Reisekostenrecht.

Und die AFD: Es gibt keinen Klimawandel, an der Erwärmung sind die Sonne und die Wolken schuld, nicht die Emissionen von Kohlendioxid – Kommentar überflüssig.

Nach über 3 Stunden kam es dann zur Abstimmung. Alle Anträge des großen Klimabündnisses wurden mit großer Mehrheit gegen die AfD angenommen, alle Ergänzungsanträge mit deutlicher Mehrheit gegen die AfD und große Teile der CDU. Die Einzelratsherren Eilers und Balk stimmten mal so und mal so, waren aber meistens einfach mal gegen Klimaschutz.

Die vom Rat Langenhagen beschlossenen Klimaanträge finden sich im Ratsinformationssystem der Stadt Langenhagen - https://ris.langenhagen.de

Hier sind es die Drucksachen:

zu Klimaschutz Allgemein: BD/2020/145 und BD/2020/142-1

Zu Klimaschutz – Gebäude: BD/2020/143-1 und BD/2020/138-1

Zu Klimaschutz – Grünflächen: BD/2020/141-1 und BD/2020/139-1

Zu Klimaschutz – Verkehr: BD/2020/144 und BD/2020/140

Fazit: Wir haben hier im Rat von Langenhagen ein ambitioniertes Klimaprogramm verabschiedet. Jetzt gilt es, dieses in die Praxis umzusetzen und weiter zu verfeinern – mein Wunsch (hab ich noch einen frei?) wäre es, das in einem größeren Gremium, zum Beispiel in einem Klimabeirat, zu begleiten.

Und mein persönliches Fazit: Schon oft bin ich verärgert und genervt aus Ratssitzungen nach Hause gegangen. Diesmal bin ich richtig stolz, dass wir im Rat Langenhagen gemeinsam etwas so Positives erreicht haben.