Bei der letzten Ratssitzung konnte ich nicht dabei sein, weil als terminliche Alternative mein jährlicher Jazz-Workshop auf Sardinien anstand. Meine Bass-Klarinette und ich haben sich dann für Kultur statt Kommunalpolitik entschieden. Der Ratssplitter musste ausfallen.
Die Sitzung begann mit einer Aktuellen Stunde zu dem angekündigten Ende des Langenhagener Standortes der Imperial Brands/Reemtsma. Dazu hatte die SPD eine Aktuelle Stunde „Weggang Reemtsma – Katastrophe für Langenhagen?“ beantragt. Wie ich fand, aus gutem Grund, ist es doch für die derzeit rund 640 Beschäftigten der Zigarettenfabrik tatsächlich eine Katastrophe, mit einem Mal ins Ungewisse schauen zu müssen. Diesen Beweggrund hatte ich auch bei der SPD vermutet, doch leider ist ihr wohl der „Klassenkampf“ verloren gegangen. Sehr kurz verweilte Dr. Köhler als Fraktionsvorsitzender nur bei den Beschäftigten und dem Konzern, um dann schnell und übergangslos auf den vermuteten Gewerbesteuerausfall zu kommen und in „Mommsenscher Manier“ langatmig den Bürgermeister u.a. für die hohen Investitionen in die Schulinfrastruktur verantwortlich zu machen. Vielleicht hätte er sich für diesen Redebeitrag mal besser mit seiner Fraktion beraten?
Bei den anderen Redner*innen war dann doch ein wenig mehr Mitgefühl mit den Beschäftigten spürbar – mal mehr mal weniger, je nach Couleur und Naturell.
Spannend fand ich zum Abschluss die Anmerkung von Bürgermeister Heuer, dass ihm etliche Interessent*innen für das Reemtsma-Gelände schon die Bude einrennen und es somit eine reelle Chance gibt, dass sich dort ein neuer Betrieb ansiedelt, der auch viele Arbeitskräfte braucht. Ein kleiner Hoffnungsschimmer, auf den wir aber als Kommune keinen Einfluss haben, weil letztlich der Konzern Imperial Brands entscheidet, wann wie und ob er an wen verkauft.
In meinem Redebeitrag habe ich - neben dem Bekenntnis meiner Solidarität mit den Beschäftigten und Kapitalismusschelte – versucht, einige Alternativen für die Beschäftigten aufzuzeigen. Neben den üblichen Vorgehensweisen, wie Frühverrentung und Transfergesellschaft kann ich mir zum Beispiel vorstellen, dass sich auch die eine oder der andere Beschäftigte als Quereinsteiger*in in die Verwaltung (mit entsprechenden Hilfestellungen) eignen wird. Wichtig war mir zum Schluss ein Aufruf, sich mit den betroffenen Beschäftigten zu solidarisieren, beispielsweise mit der Teilnahme an dem Laternenumzug unter dem Motto „Ohne Reemtsma gehen in Langenhagen die Lichter aus“. Los geht es am 16.11. um 16:30 vorm Rathaus.
„Szenen einer Ehe“ heißt ein berühmtes Filmdrama von Ingmar Bergman, später von Loriot gekonnt humoristisch umgewandelt. Aber mit Humor war gestern nicht viel, als sich „Szenen einer Gruppe“ ankündigte. Pünktlich zu Beginn der Ratssitzung brach die Ratsgruppe mit dem bescheidenen Namen „Sehr Gute Gruppe“ offiziell auseinander. Marion Hasenkamp hatte die Gruppe schon einige Zeit nach der letzten Ratssitzung verlassen und nun haben die beiden FDP 'ler Röttger und Balk es ihr nachgetan. In einem mehr oder weniger drastisch erstrittenen Redebeitrag von Dr. Mommsen erläuterte dieser den Bruch der Gruppe und deutete Unregelmäßigkeiten bei den Finanzen der Gruppe an. In den folgenden persönlichen Erklärungen der Kontrahenten Röttger/Balk wurden die Ursachen für den Bruch nur sehr verdeckt angesprochen.
Durch den Bruch der Gruppe mussten – so will es das NKomVG – alle Ausschusssitze neu besetzt werden, weil sich das Stimmenverhältnis der Fraktionen untereinander verändert hatte. Über einen Sitz im Verwaltungsausschuss (VA) musste per Los zwischen Bündnis90/DIE GRÜNEN und der AfD entschieden werden. Das Losglück entschied für die AfD. So ist der VA, in dem doch recht viele Drucksachen abschließend behandelt werden, nun mit 4 x SPD, 4 x CDU, einmal Grün und einmal AFD besetzt. Zünglein an der Waage ist – wie üblich der Bürgermeister, der auch eine Stimme im VA hat. Dieser Ausschuss wurde mehrheitlich beschlossen, was eigentlich unüblich ist. Eine von den drei Enthaltungen kam von mir – ich mochte einem AfD-VA-Sitz nicht zustimmen.
So haben wir nun – im schlimmsten aller Fälle – eine schwarz-blaue Mehrheit im VA, von der ich hoffe, dass sich das die Langenhagener CDU nicht antut. Aber ganz sicher bin ich mir eben auch nicht, ob die Brandmauer steht oder ob sie schon bröckelig ist. Ich werde ein Auge darauf haben, auch wenn ich keinen Sitz im VA habe.
Weiterhin einigte sich der Rat darauf, diesmal völlig einvernehmlich, dass die bisherigen stellvertretenden Bürgermeister*innen dieselben sind wie vorher. Durch die veränderte Zusammensetzung im Rat bedurfte es auch zahlreicher anderer Korrekturen, die etliche Zeit kosteten, dann aber einvernehmlich beschlossen wurden.
Ebenfalls einstimmig – mit viel (berechtigtem) Lob in Richtung Frau Schmidt und etwas Gemaule in Richtung Bürgermeister zu einem Kommunikationsproblem - klappte die Wahl der jetzigen Finanzdezernentin Janina Schmidt zur 1. Stellvertreterin des Bürgermeisters. - Herzlichen Glückwunsch!
Grund: Die bisherige 1. Stellvertreterin Isabell Gifhorn wird demnächst Dezernentin in der Region Hannover und Sozialdezernentin Stefanie Duensing kandidiert als unabhängige Landratskandidatin in Nienburg.
Bereits in der Einwohner*innenfragestunde gab es Beschwerden von Menschen aus Wiesenau, die angesichts der von der Verwaltung geplanten Verlängerung des dortigen Sanierungsprojekts Befürchtungen haben, dass es im Wohnungsbereich etliche Unsicherheiten gibt, mit welchen Beiträgen die jeweiligen Vermieter*innen an den Kosten der Sanierung beteiligt werden. Die unmittelbare Folge aus Sicht einiger Anwohner*innen – ein Leerstand etlicher Wohnungen. Der Plan der Stadt, die Sanierungszeit auf weitere 10 Jahre zu strecken, würde somit die Unsicherheit ggf. verlängern. Leider kam bei einem Kompromissantrag der Grünen ausgerechnet dieser Punkt – die Frist erst mal auf 2030 zu setzen, mehrheitlich nicht durch. In der zweiten Einwohner*innenfragestunde wurde die Enttäuschung darüber noch einmal deutlich.
Der Tagesordnungspunkt zur kommunalen Wärmeplanung litt ein wenig unter der späten Zeit und wurde daher mehr oder weniger durchgewunken. Nur Dr. M. mokierte sich über zu hohe Kosten, um die es bei der Vorlage aber noch gar nicht ging. Fakt ist: Die Stadt Langenhagen verfügt nun über einen Wärmeplan als Planungsinstrument mit den folgenden Prioritäten: Nachverdichtung in den bestehenden Wärmenetzgebieten - Erweiterung vorhandener Bestandswärmenetze - Energetische Sanierung öffentlicher Gebäude - Entwicklung von Energiekonzepten in Fokusgebieten Sanierung - Ausbau von Energieberatungsangeboten für Gebäudeeigentümerinnen und -eigentümer. Das ist doch schon mal was.
Und dann gab es da noch einen AfD-Antrag – ja richtig gelesen, ein AfD-Antrag, so was hat ja extremen Seltenheitswert (der Göttin sei Dank!). Ziel: Die Regionsumlage finanziell zu begrenzen. In seiner Einbringungsrede zeigte AfD-Vertreter Mikuda, dass er augenscheinlich von Kommunalrecht und den jeweiligen Zuständigkeiten keinerlei Ahnung hat.
Anja Sander von der SPD hielt dazu eine bemerkenswerte Replik, in der sie nachwies, dass der AfD-ler etliches nicht begriffen habe und mit seinem Antrag offensichtlich eine Spaltung in der Gesellschaft erzielen wolle. Mittel der Region Hannover zu kürzen, die kaum eigene Einnahmen außer der Regionsumlage aus den Kommunen hat, bedeutet in der Praxis Kürzungen im Sozial- und Wohnungsbereich, im ÖPNV, bei den Klimamaßnahmen und auch bei der Unterbringung von Geflüchteten. Aber wahrscheinlich ist das auch das AfD-Ziel.
Eigentlich könnte mensch der AfD empfehlen, sich diese Rede geben zu lassen, um daraus zu lernen. Die Reaktion der AfD-Fraktion insgesamt auf die Rede und die anschließende aggressive Reaktion von Ratsmitglied Mikuda lassen aber erahnen, dass es mit dem Willen zur Weiterbildung nicht weit her ist.
Der Rat jedenfalls hat den AfD-Antrag mit all seinen Stimmen gegen 3 AfD-Stimmen abgelehnt. Ein gutes Zeichen für die Demokratie in Langenhagen.
Und dann hatten wir es geschafft, mit Magenknurren. Aber Montags nach 22.30 Uhr waren die Küchen in den zwei Lokalen, in die wir mal reingeschaut haben, schon frisch geputzt. …und die Menschen aus der Gastronomie haben sich ihren Arbeitsschluss ja nun wirklich redlich verdient.

